Shortfacts
Baujahr: bis 2011
Vorgänger:k.A.
Den Auftrag, einen modernen Offroader mit zukunftsweisendem Konzept zu entwickeln, haben die Karosserie-Ingenieure im Mercedes-Benz Technology Center ernst genommen. Nichts blieb beim alten, alle Bauteile und Komponenten der Karosserie wurden neu durchdacht. Sicherheit, Leichtbau, Betriebsfestigkeit, Fahrstabilität, Aerodynamik und Dauerhaltbarkeit waren dabei nur einige einer Vielzahl von Aspekten, die es zu beachten galt und die in Einklang zu bringen waren, auch wenn manche Ansprüche auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen. Doch die Lösung technischer Zielkonflikte machte das Projekt M-Klasse für die Sindelfinger Ingenieure umso interessanter; sie spornten zu neuen Meisterleistungen an.
Eine selbsttragende, steife Rohbaukarosserie schafft die Voraussetzungen für sicheres Fahrverhalten und hohen Fahrkomfort und bildet die Grundlage für noch besseren Insassenschutz und modernen Leichtbau. Damit unterscheidet sich die neue M-Klasse von dem in Rahmenbauweise konstruierten Vorgängermodell. Um zugleich auch den hohen Beanspruchungen bei Geländefahrten gerecht zu werden, wurden die Krafteinleitungspunkte zwischen Fahrwerk und Karosserie neu konzipiert - und vor allem neu dimensioniert.
Ein Indiz für die Qualitäten der Rohbaukarosserie ist ihre deutlich höhere Verwindungssteifigkeit. Sie beträgt 2,18 Millimeter pro Meter (statisch) und liegt damit deutlich über dem Vorgängermodell. Damit leistet die Karosserie einen wichtigen Beitrag für den spürbar höheren Schwingungskomfort der neuen M-Klasse und die hohe Fahrstabilität. Die vorbildliche Torsionssteifigkeit ist unter anderem einer im Dachbereich umlaufenden Rahmenstruktur zu verdanken, die einerseits zur Befestigung der Heckklappe dient und andererseits eine formstabile Verbindung zwischen den Seitenwänden, dem Boden und dem hinteren Dachrahmen herstellt. Dieser so genannte „D-Ring“ hat die Rohbaukarosserie buchstäblich fest im Griff und erhöht dadurch die Verwindungssteifigkeit.
Generell präsentiert sich die Karosserie der M-Klasse in neuen Dimensionen: Gegenüber dem Vorgängermodell ist der Offroader 150 Millimeter länger, 71 Millimeter breiter und fünf Millimeter niedriger. Die Fahrzeugverlängerung wird im Wesentlichen durch den um 95 Millimeter größeren Radstand und den 56 Millimeter längeren Karosserieüberhang im Heck deutlich.
Zwei Drittel aller Bleche aus hochfesten Stahllegierungen
Modernste Herstellungsverfahren und intelligenter Materialeinsatz ermöglichen auch in puncto Leichtbau, Toleranzen und Reparaturfreundlichkeit weitere Fortschritte. In der Werkstoffbilanz der neuen M-Klasse dominiert zwar auch weiterhin der bewährte Stahl, doch den Anteil hochfester Legierungen, die bei einem Minimum an Blechdicke und Gewicht ein Maximum an Festigkeit bieten, hat Mercedes-Benz im Vergleich zum Vorgängermodell um mehr als das Fünffache gesteigert. Bezogen auf das Karosseriegewicht bestehen somit 62 Prozent aller Bleche aus hochfesten Stahllegierungen. Manche von ihnen verdienen sogar das Prädikat „höchstfest“, wie der so genannte Dual-Phasen-Stahl. Sein spezielles Materialgefüge mit zweiphasiger Mikrostruktur hält beim Aufprall hohen Belastungen stand und hat deshalb nennenswerten Anteil an der vorbildlichen Stabilität von Vorbau und Fahrgastzelle.
Zahlreiche Blechteile in der Rohbaukarosserie der neuen M-Klasse werden nach dem Prinzip des „spannungsarmen Fügens“ verarbeitet, das eine hohe Maßgenauigkeit ermöglicht. Beispielsweise wurden die Flansche an den Randzonen der Stahlteile so gestaltet, dass etwaige Toleranzen bereits beim Zusammenlegen der Bleche ausgeglichen und die Karosseriekomponenten somit spannungsarm miteinander verschweißt werden können. Diese Fügetechnik und die präzise Gestaltung der Karosseriebauteile leisten auch einen wichtigen Beitrag zum Korrosionsschutz, denn dadurch werden zusätzliche Lötverbindungen und die so genannten MAG-Schweißnähte (Metall-Aktivgas-Schweißen) an den Verbindungsstellen der Blechteile weitgehend überflüssig. Sie gelten allgemein als besonders rostgefährdete Stellen.
Frontstruktur mit Crash-Boxen und stabilen Trägern
Der Verzicht auf die bisherige Rahmenbauweise ermöglichte es, die Vorbaustruktur der neuen M-Klasse nach Pkw-Maßstäben zu konstruieren. Davon profitiert vor allem die Insassensicherheit beim Frontalaufprall.
Zwei geradlinige Längsträger aus hochfestem Stahl, die durch innen liegende Blechschalen verstärkt sind, ein vorgeschaltetes Front-End und zwei außenliegende Träger oberhalb der Radkästen sind die wichtigsten Elemente des Karosserievorbaus, die bei einem Unfall Energie absorbieren. Dies geschieht stufenweise, je nach Aufprallschwere. So ist das Front-End mit zwei Crash-Boxen aus hochfestem Stahl ausgestattet, die bei Kollisionen im niedrigen Geschwindigkeitsbereich (bis maximal 15 km/h) ausreichen, um die Crash-Energie aufzunehmen.
Die Crash-Boxen sind durch Schraubverbindungen mit den Längsträgern verbunden und lassen sich deshalb bei Beschädigungen kostengünstig - ohne Schweißarbeiten - auswechseln. Ebenso reparaturfreundlich sind alle anderen Kompo-nenten des Front-End untereinander verschraubt.
Erst bei höherer Aufprallgeschwindigkeit (mehr als 15 km/h) werden die stabilen Längsträger des Vorbaus aktiviert und dienen als Knautschzone. Bei einseitiger Belastung der Karosseriestruktur, also bei einem so genannten Offset-Aufprall, sorgen ein Aluminiumprofil im Front-End sowie andere Querverbindungen im Vorbau dafür, dass die Aufprallkräfte auch auf die nicht beanspruchten Seiten verzweigt werden. Beim Offset-Crash bildet auch die zweite Längsträgerebene oberhalb der Radkästen einen zusätzlichen Lastpfad.
Der aus hochfestem Stahl hergestellte Fahrschemel, der Vorderachse, Lenkgetriebe, Motor und Getriebe trägt, kann sich bei einem schweren Unfall ebenfalls gezielt verformen und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Energieabsorption. Schließlich sind auch die Vorderräder in das Sicherheitskonzept einbezogen; sie stützen sich beim Aufprall an den stabilen Seitenwänden ab und leiten somit auch auf diesem Weg Aufprallkräfte gezielt an der Fahrgastzelle vorbei.